Nothing Lasts Forever

Nur einen Wimpernschlag bevor Bill Murray und Dan Aykroyd mit Ghostbusters Weltruhm erlangten und Zach Galligan mit Gremlins einen Plüsch-Hype auslöste, wurde Nothing Lasts Forever mit diesen Schauspielern abgedreht. Das abgedrehte Projekt erschien dem Studio MGM damals zu waghalsig und es erlebte nie einen Kinostart. Stattdessen legte man es, unwissend, was damit anzufangen sei, in ein staubiges Verlies und es fiel dem Vergessen anheim.
Bis es vor wenigen Tagen dank der Magie des Internets wieder auftauchte.

I have to do it my way.

Story

Der junge Dan hat die Nase voll von Show und Täuschung in der Unterhaltungswelt. Wirklicher Künstler will er werden. Als er sich mit diesem Ziel nach Detroit begibt, muss er wie alle anderen auch zuallererst den allgemeinen Künstlertest bestehen, um einer Kunstform zugeordnet zu werden. Das Ergebnis des ungeschulten Jungspundes führt ihn nicht zum erwarteten Schöngeistdasein, sondern an das Ende eines langen Tunnels, als Aufseher von eben diesem.
Seine Mildtätigkeit und Güte, die er an den Tag legt, bringt ihn das erst einmal zwar nicht unbedingt näher an den Künstlertraum heran, sehr wohl aber näher an den Mond. Und vielleicht auch an die Liebe.

Kritik

Namen wie Bill Murray, Dan Aykroyd, Zach Galligan oder Tom Schiller zu lesen, ist im Laufe des fast dreiminütigen Vorspanns wie das Entdecken eines Fremdkörpers, so sehr ist Nothing Lasts Forever an das Kino der frühen Schwarzweißfilm-Ära angelehnt. Wie ungemein passend, dass der Film damit startet, eine Musikaufführung als faulen Zauber zu entlarven, indem das Piano ganz von alleine spielt und so das Publikum zum Narren hält, ehe es der Pianist nicht länger ertragen kann, Teil dieser Illusion zu sein, und das Volk mit Gebrüll die Bühne stürmt.
Adam stolpert durch ein Heer schräger Figuren, die sämtlich wunderliche Dinge zu sagen haben, und begibt sich dabei von einer skurrilen Situation in die nächste, in der Regel noch viel skurrilere Situation. Die Ideenfülle des Filmes ist so groß und konstant und dabei derart unverbraucht, dass man um Worte wie ‚zeitlos‘ nur schwer herumkommt, wenn man das vergessene Werk zu beschreiben versucht. Oder anders gesagt, der Film ist wunderbar unverfroren witzig. Dass er sich nicht steigert, liegt einzig daran, schon von Anfang an große Geschütze aufgefahren werden, die Nothing Lasts Forever zu einem erfreulichen und in höchstem Maße beschwingten Kuriosum machen, dem man sich kaum entziehen kann.
Dabei lässt Schiller sich die Gelegenheit, Bezug auf etliche Klassiker zu nehmen, natürlich nicht aus. Die wilde Mischung aus Things to come , le voyage dans la lune und irgendwie auch aus dem legendären starbesetzten und ebenfalls vollkommen vergessenen 68er-Kult Candy ist gespickt mit zahlreichen Referenzen an vornehmlich Stummfilme; und das sowohl auf bildlicher wie auch auf narrativer Ebene. Entsprechend sind auch die Spezialeffekte zu bewerten, die sich bewusst pappig präsentieren und damit dem Künstlichkeitskommentar sein i-Tüpfelchen spendieren. Dass der Film gerade hinsichtlich dieser Thematik auf poetische Weise versöhnlich endet, macht ihn ganz besonders rund und bläst den kurzen Eindruck von Episodenhaftigkeit lockerleicht davon. Zu erwähnen, dass diese sonderbare Kreatur, die dieses Werk des Saturday Night Live-Writers darstellt, als Beinkleid en transparentes Musical trägt, ist in Anbetracht all dessen eigentlich fast nur noch Formsache.
Am Ende steht fest, dass vielleicht nichts ewigen Bestand hat, einiges sehr wohl aber viel zu lange. So zum Beispiel die oftmals schwerverständliche, an Willkür grenzende Handlungsmotivation vieler Studios, die damals wie heute offensichtlich Großartiges aus Angst vor Neuem verkennen und verschmähen.

Fazit

Dass Nothing Lasts Forever endlich an die Öffentlichkeit gedrungen ist, nachdem der Film seit seiner Fertigstellung verschollen ist und in Folge rasch vergessen wurde, ist eine Sensation. Die Allstar-Besetzung mit überbordender Spielfreude bei der Arbeit zu sehen, ist eine helle Freude, denn Tom Schiller ist eine auch heute noch perfekt funktionierende SciFi-Komödie gelungen, deren frecher Witz vor allem von seiner großen Spontaneität profitiert.

Bleibt nur zu hoffen, dass das Kleinod nun endlich eine Veröffentlichung erfährt, die sich seiner als würdig erweist.

Godzilla

Dass Gareth Edwards, der zuvor lediglich den günstigen, aber ungemein erfolgreichen Film Monsters vorzuweisen hatte, zum Regisseur der neusten amerikanischen Godzilla-Verfilmung erhoben wurde, war eine mittelschwere Überraschung. Auf den zweiten Blick aber erschien die Wahl alles andere als abwegig, denn Monsters hatte gewissermaßen all das, was Emmerchs Godzilla aus dem Jahre 1998 fehlte, um kein furchtbar schlechter Film zu sein.

You have no idea what’s coming!

Story

Joe Brody glaubt nicht, dass der Tod seiner Frau während einer Atomkraftwerkkatastrophe durch ein Erdbeben ausgelöst wurde. Er glaubt an etwas Anderes. Etwas Größeres. Fünfzehn Jahre später sucht er wie besessen in Japan nach den Antworten und gerät in Konflikt mit den Behörden.
Was gemeinsam mit seinem entfremdeten Sohn Ford in einem Sperrgebiet findet, übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Ein prähistorisches Monster – Muto genannt – erwacht und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung.

Kritik

Mit dem Independentfilm Monsters aus dem Jahr 2010 bewies Gareth Edwards, dass er verstanden hat, was einen Monsterfilm – was überhaupt einen Film – ausmacht. Der Film nimmt seine Figuren ernst, räumt ihnen den nötigen Platz ein, macht sie notwendig, lebendig, glaubhaft, leidensfähig und nachvollziehbar. Dieser Regel bleibt er auch in Godzilla treu. Ein Monster ist nur dann zum Fürchten, wenn das Bedrohte es nicht verdient. Die Welt mag den grünen Götterkoloss verdient haben, die Protagonisten des Filmes jedoch nicht. Es sind tragische Wesen, deren Schicksal eng mit dem Ungeheuer verwoben ist. Dies ist phasenweise eine Spur zu dramatisch inszeniert, ist aber fortwährend bewegend. Auch deshalb, weil die Charaktermomente ebenso brillant fotografiert sind wie die große Destruktion und sich klug eingesetzte Point-of-View-Perspektiven durch den ganzen Film ziehen, um das Geschehen drastisch zu intensivieren.
Bis zum Auftritt der Giganten vergeht einiges an Zeit – und bis Godzilla höchstselbst die Bildfläche betritt, dauert es umso länger. Die Zeit davor ist aber kein ungeduldiges Warten, kein sinnloses Hinhalten, sondern Spannungsaufbau par excellence, der genauso hübsch, relevant und unterhaltsam ist, wie der eigentlich zentrale Akt. Das alles ist nicht nur Vorbereiten, sondern Essenz. Nur deswegen sind die folgenden Bilder der Zerstörung auch nicht imponierend, sondern ergreifend, und nur auf diese Weise können Katastrophenszenarien mehr bedienen als die bloße Schaulust.
Wenn es dann aber so weit ist und die Ungetüme ansetzten, die Welt in Schutt zu verwandeln, erwartet einen keine Emmerich-Zerstörung wie in seinen sich zu Tode leiernden Katastrophenschinken, sondern ein durchkomponiertes, durchdacht aufgebautes Zusammenfallen. Godzilla ist wie eine Oper, nur wird nicht gesungen, sondern Dekonstruiert, und das in biblischen Bildern. Unterstrichen wird dies von den wunderschönen Designs der Kreaturen, das, brachial insektoid, unendlich fremd, ehrfurchtgebietend und furchteinflößend zugleich wirkt.
Mit Zunahme der Wuchtigkeit und Erhöhung der Monsterpräsenz rund um den Globus im zweiten Teil des Filmes geht der Fokus zwangsläufig zurück, vergrößert sich und kann nicht mehr dauerhaft auf seinen singulären Figuren verharren. Die Untergangsimpressionen gehören zu dem Besten, was das Kino zu bieten hat. Es wird nie so laut und dynamisch wie bei Pacific Rim, dafür speisen die gezeigten Bilder aber von ihrem eindringlichen Realismusanspruch. Somit bleibt die Intensität erhalten, die Spannung fällt aber etwas ab, weil die Protagonisten sich das Bild plötzlich mit der Geißel der Welt und dem von ihr verursachten Leid teilen müssen. Um sie nicht vollends aus den Augen zu verlieren, kreuzen sich die Wege von Hauptfiguren und prähistorischen Amoktieren öfter, als der Zufall es gestatten würde. Etwas weniger Willkür beziehungsweise raffiniertere Erzählweise wäre wünschenswert gewesen, doch stört dieser Umstand nur auf formaler Ebene, während das Sehvergnügen nur marginal berührt wird.
An einem Godzilla-Film zu bemängeln, er wirke an wenigen Stellen einen Deut zu überdramatisiert und konstruiert, ist fast schon lachhaft. Dass es hier dennoch angebracht ist, beweist nur, mit wieviel Geschick und Eleganz der ikonische Rüpel seinen Thron nach vielen Jahren wieder erklommen hat. Puristen könnten bemängeln, dass Godzilla zu wenig Raum in seinem eigenen Film bekäme. Doch was ist schon zu viel und zu wenig, wenn ein Werk so gut funktioniert wie dieser. Zudem gerade Puristen dank der vielen Anspielungen und Zitate früherer Auftritte des Wüterichs besonders zufriedengestellt sein dürften.
An Roland Emmerichs beinahe geglückten Versuch des Jahres 1998, den Godzilla-Mythos für immer zu Grabe zu tragen, sollte hier wie sonst irgendwo eigentlich nicht erinnert werden. Trotzdem sei hier gesagt, dass ein Godzilla-Film wohl sich wohl kaum besser in die Gegenwart übersetzen lässt, als es hier geschehen ist. Vergessen Emmerich. Vorhang auf für Edwards.

Fazit

Ob nun im stadtgrößten Kinosaal oder der besten Heimkinoanlage des Bekanntenkreises – Godzilla ist groß, das Monstrum wie der Film; und sie wollen groß genossen werden. Senkrechtstarter Edwards formte den unzählige Male wiederverwerteten Godzilla-Stoff zu etwas Ernstem, Düsterem, Frischem, das sich verflucht unverbraucht anfühlt. Dass die Figuren ab der zweiten Hälfte nicht mehr ganz im Fokus gehalten werden können, ist verschmerzbar und wohl kaum zu vermeiden. Das ändert nichts daran, dass mit Godzilla feines Atmosphärekino geschaffen wurde, dem es gelingt, große Zerstörung auf ein neues Level zu heben, ohne dabei nur plump die Quantität hochzuschrauben.

The Return of the First Avenger

Das unzusammenhängende Daumenkino vor dem Marvellogo, das Sprechblasen, bleiche Helden und eine Milliarde Geschwindigkeitslinien vorbeiflattern lässt, ist nun schon seit deutlich mehr als 10 Jahren der allen vertraute Einband für ganz besondere Geschichten. Captain America – The First Avenger war 2011 ein Tiefpunkt dieser Geschichten, ein ziemlicher Schnarcher – zusammen mit Iron Man 2. Marvel gelang es aber, sich schnell zu fangen, die Avengers retteten die Welt und verpassten dem Riesen-Franchise wieder frischen Atem.
Nach Iron Man 3 ist Captain America 2 – The Return oft he First Avenger an der Reihe und gibt auch für sich Entwarnung.

This isn’t the age of spies. This is not even the age of heroes. This is the age of miracles… and there’s nothing more horrifying than a miracle.

Story

Steve Rogers hat es den HYDRA-Nazis gezeigt, verbrachte einige Jahrzehnte im großen Eis und schlug gemeinsam mit den Avengers Thalos‘ Schergen zurück.
In der Zwischenzeit hat er sich den Gepflogenheiten der Gegenwart schrittweise angenähert, findet seine Erfüllung insgeheim aber weiterhin in dem Befolgen von Befehlen – in diesem Fall von S.H.I.E.L.D.
Ein Umstand, der sich ändert, als nicht nur ein mysteriöser Antagonist auftaucht, sondern auch die internen Strukturen der S.H.I.E.L.D.-Organisation ganz offensichtlich von Innen heraus verdorben sind. Plötzlich befindet sich Rogers, alias Captain America im Fadenkreuz der Helden-Agenten und muss auf eigene Faust gegen sämtliche Fronten ermitteln. Zur Seite steht ihm nur Natascha Romanoff als Black Widow.

Kritik

Der Anfang lässt sich Zeit und gewährt Wiederholungen zugunsten von Quereinsteigern leider einer tieferen Charakterarbeit gegenüber den Vorzug. Die Witze sind noch ein wenig gezwungen und auch einige Seltsamkeiten, wie die Tatsache, dass Nick Fury offensichtlich nicht in Besitz eines Handys ist, stören das Gesamtbild zwar, doch bereitet auch das Anlaufnehmen durchaus schon eine gewisse Freude, die nur durch die zu hastigen Schnitte kleinen Abbruch findet.
Dann wird es mit einem Schlag sehr wild und dramatisch, wenn die Geschichte endlich richtig loslegt.

Im Gefolge hat die Spionage- und Geheimagentenstory ein paar wirklich beeindruckende Actionsequenzen, die teilweise hochgradig konstruiert und daher ebenso absurd und damit umso temporeicher ausfallen. Doch zur Geschichte, denn The Return of the First Avenger gelingt hier ein kleines Wunder. Einerseits geht man – endlich – weg von der omnipräsenten, mit jedem Film anwachsenden Zerstörung, um die fadenscheinig eine schablonenartige Heldengenese entsteht, und widmet sich, wenn man so möchte, einem ganz anderen Genre. Neben dem ansehnlichen Actionpart ist die Suche nach dem Winter Soldier eine elektrisierende Schnitzeljagd geworden, während dieser Recherche und Kombinationsgabe die beiden Helden durch die Vereinigten Staaten führen. Dies ist der im Durchschnitt wohl ruhigste Film des neuen Marveluniversums, wodurch einiges an Abwechslung entsteht – ein nur scheinbares Paradoxon, das sich Hollywood früher oder später zwangsläufig aneignen muss, um in der werdenden Filmlandschaft weiterhin Erfolge zu verzeichnen. Andererseits vollbringt man das Kunststück, eine halbwegs geerdete Geschichte um Überwachung und Doppelagenten an den richtigen Passagen mit ordentlich Comic-Wind in Fahrt zu bringen, ohne die eine oder andere Ebene wie einen Fremdkörper wirken zu lassen. Das entlastet nicht nur übersättigte Sehgewohnheiten, die auf eine x-te Wiederholung des Heldensage-Schemas gefasst waren, es bringt vor allem das ganze Genre der Comicverfilmungen auf ein neues erzählerisches Niveau, wo weit mehr möglich ist als in den niederen Gefilden der Ein-Mann-Gegen-Den-Superschurken-Penrose-Treppe.
Schade, dass im letzten Akt dann doch auf klassische Kampffinale-Mittel gesetzt wird, anstatt die mutige Linie weiterzuverfolgen. Das funktioniert auf bewährte Weise gut, wirkt aber gerade im Vergleich zum vorwärtsgerichteten Teil der Geschichte ein wenig inkonsequent.

Fazit

Nach dem müden Trip durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs hieven Joe und Anthony Russo den Marvel-Patrioten in die bessere Hälfte dieses Universums. Trotz der angestrengten Dialoge, die den klaren Tiefpunkt des Filmes graben, besticht das Gesamtkunstwerk durch große Stimmigkeit – nicht trotz, sondern wegen ungewöhnlicher Genreeinflüsse im Heldenuniversum.

Cargo – Da draußen bist du allein

Der Schweizer Regiedebütant schaffte es 2009 mit der erstaunlich bescheidenen Summe von
fünf Million Franken, das Science-Fiction-Genre in seinem Land zu beheimaten, das bis dato neben den HR-Giger-Werken wenig auf diesem Gebiet vorzuweisen hatte.


Eine unbemannte Station.

Story

Nachdem die Erde unbewohnbar wurde, verkroch sich die Menschheit auf überfüllte Raumstationen und wartete. Das Warten wurde belohnt, als in fünf Lichtjahren Entfernung erdähnliche Planet Rhea ausgemacht wurde, der besiedelbar ist. Das Problem: Er bietet nur Platz für wenige und die Reise ist teuer.
Um dies zu finanzieren, verbringt die Ärztin Dr. Laura Portmann fast 8 Jahre im Kälteschlaf auf einem Cargo-Schiff, um dort die ruhende Crew auf einer Reise zu betreuen und anschließend ins Zukunfts-Utopia zu ihrer Familie zu fliege.
Der unbehagliche wie zähe Routineflug entwickelt sich jedoch zu einer unvorhergesehenen Hatz, als Portmann einem gut gehüteten Geheimnis an Bord des Frachters auf die Schliche kommt. Als die anderen geweckt werden, ist plötzlich keinem mehr zu trauen.

Kritik

Eisiges Blau, fingerlose Handschuhe an bebenden Händen mit blassen Knöcheln und gedämpfte Stimmen. Das Setting könnte auch ein russischer Öltanker mit Flüchtlingen sein. Die Innenarchitektur des Cargoschiffes wirkt feindselig, labyrinthisch und düster und die wenigen Special-Effects und Weltraumaufnahmen geben kaum Anlass zur Klage. Der schmale Geldbeutel macht sich nicht bemerkbar, weil Cargo sich stilistisch geschickt zwischen Science-Fiction und Retro setzt. Handys und Kleidung von heute, ein Raumschiff von Morgen und eine diesig-triste Gossenatmosphäre von Gestern. Irgendwie passt das zum generellen Gegensatz zwischen der lebensfeindlichen Kälte des Alls und der Idee, in einem kleinen Pott sicher eingemummelt durch diese zu fliegen.
Zum Retuschieren des Budgets gibt es natürlich auch kaum Licht. Es ist finsterer als in einer durchschnittlichen Nacht an Bord des verwinkelten Frachters. Das Spiel mit Licht und Schatten ist durchweg sehr gut. Trotzdem wirkt Cargo dann wiederum manchmal wie der Abschlussfilm eines Filmstudenten, wenn auch wie einer der klar besseren. Betont werden muss, dass Ivan Engler mit großem Erfolg das Maximale aus seinen fünf Millionen Schweizer Franken rauszuholen versucht hat.
Dass es im Inneren ununterbrochen regnet oder schneit, ist nur kurz irritierend und fügt sich schnell ins Gesamtbild. Cargo ist ein Film Noir, durch und durch. Omnipräsentes Chiaroscuro, eine einsame Heldin, die gegen das System ihre Ermittlungen durchführt, die Frage nach Wahrheit, Vertrauen, Identität und Verhältnismäßigkeit. Dieses seltene Mischkonzept ist spannend, ganz anders als im berühmtesten Vertreter Blade Runner und in Summe es allemal sehr atmosphärisch. So atmosphärisch, dass es immer wieder spannend wird, obwohl sich hinter dieser Spannung – und das merkt man die ganze Zeit über – kaum Substanz verbirgt. Der Film lebt von seiner Stimmung, die das Detektivspiel, dessen Auflösung einen höchstens am Rande interessiert, heraufbeschwört. Lässt man es zu, sich davon gefangen nehmen zu lassen, ist Cargo eine erfreuliche Angelegenheit, die ein ums andere Mal zu packen vermag und mit ihrer dichten Atmosphäre punktet – auch dank der wahrlich imposanten Raumschiffmodelle. Auch wenn das Ganze so klingt wie Pandorum und sich beide Filme in etlichen Details wie Geschwister verhalten, soll hier erwähnt werden, dass Cargo rasch eine andere Richtung wählt.

Die Macher des Filmes waren sich der eigenen Stärke offenbar aber wenig bewusst, werden doch alle 20 Minuten arg konstruierte Gefahrenmomente in die Geschichte gedrückt, durch die die Figuren sich dann zu quälen haben. Zuträglich ist das der Atmosphäre nicht, das Gegenteil ist der Fall, denn diese Einschübe wirken wie klare Fremdkörper und fügen sich kaum in das geschaffene Stimmungsbild, das vielmehr durch sein ständiges Drohen, Warten und Ertragen zur Geltung kommt, von dem die konstruierten Ausbrüche den eigentlichen und wichtigen Druck nehmen, um Cargo dann doch als Geschichte einer Frau, die alles kann und alles übersteht, zu entlarven. Das ist klassisch, lässt aber weniger mitfiebern.
Weitaus schwerer fallen die teilweise ziemlich unbeholfenen Dialoge ins Gewicht, die mehr als einmal aus dem Geschehen rausreißen und aus den Figuren mit einem Schlag große Stücke ihrer Glaubwürdigkeit ausstanzen. Hinzukommt, dass man die Sprecher ein ums andere Mal nur mit Mühe verstehen kann. Entweder redet man viel zu leise oder aber ausreichend laut, aber schrecklich nuschelnd. Auch extradiegetisch kann der Klang manchmal nicht überzeugen. Die Augenblicke, in denen die Sounduntermalung passt, sind hingegen äußerst gelungen. Von Gestern sind auch die steifen Schauspieler, deren voice acting – wie bei so vielen deutschsprachigen Produktionen – grenzwertig ausfällt.
Im letzten Drittel kann der Science-FIction-Film seine Stärken dann bis zum Rand ausreizen. Lange, fast schon Kubrick-artige Einstellungen, bedrohlich und gleichzeitig friedlich wirkende Stahlgewächse inmitten toter Farbe, dazu ein sich perfekt einfügender Ambientteppich. Die Dialoge werden nicht besser, dafür aber seltener. Und die Handlung nimmt eine seltsame Wendung, die zwar eine gewisse Konsequenz besitzt, aber auf Kosten der Kohärenz geht.
Fakt ist aber, dass Cargo zum Schluss zu viel will. Anstatt sich auf seine Kerndisziplinen zu besinnen, begibt er sich in ein Sperrfeuer der Diskurse, ohne ein Thema in ausreichender Ausführlichkeit behandeln zu können. Der Film zerfällt zum Ende hin ein wenig in seine Einzelteile, weshalb ein eigentlich außergewöhnlich guter deutschsprachiger Science-Fiction-Film etwas schlechter in Erinnerung bleibt, als er eigentlich ist. Die große Atmosphäre und das handwerkliche Können bewirken dafür gerade zum Schluss Enormes und schaffen ein ausreichendes Gegengewicht.

Fazit

Ein technisch sehr gelungener Ausflug durch die Eingeweide eines verwinkelten, nassen Raumfrachters. Die Geschichte selbst ist nur Mittelmaß, die Präsentation dafür höchst atmosphärisch. Auch wenn nicht jeder Handgriff sitzt, überzeugt das Endprodukt mit großer Atmosphäre.
Einzig die bemühten Dialoge stoßen bitter auf.

Planet der Affen – Revolution – Finaler US-Trailer

Der, laut Studio, letzte US-Trailer vor Kinostart zum Planet der Affe – Prevolution-Prequel ist online. Hoffen wir, dass er der Tugend jüngerer Werbestrategien verfolgt, nur so zu tun, als präsentiere er zu viel, um dann den eigentlichen Film mit deutlich größeren Schritten überraschen zu lassen.

Das hier gezeigte wirkt erstmals nicht nur aufgrund großer Bilder mächtig, sondern auch streng an der Grenze zum Kitsch, während die Kriegsszenen befürchten lassen, dass man zugunsten einer niedrigeren Altersfreigabe einiges an Kompromissen einging. Doch wollen wir den Tag vor dem Abend weder loben noch verurteilen. Die einzige Basis, auf der man gerechtfertigte Spekulationen anstellen darf, ist ein mehr als anständiger erster Teil.

Ink

Für seine Vision betätigte sich Jamin Winans als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Cutter und Komponist. Was leider dabei herauskommt, wenn all das aber nicht beherrscht, sieht man an Ink – so charmant die Idee und das persönliche Drumherum aus handsignierten BluRays und belohnter Romantik auch ist.

Hello dirt. How are we today?

Story

Es sind gruselige, in Latexkleider gehüllte Schattenwesen mit Puppengesichtern, die vor überbelichteten Schlafgemächern kleiner Kinder auf der Straße stehen und behäbig starren, während sie lange, lange Schatten werfen. Schatten, die Albträume finsterster Herkunft hervorrufen, wenn sie auf einen fallen.
Ein buckliger Typ mit vulgärem Riesezinken klaut das Mädchen Emma, um es zu seinen bedrohlichen Auftraggebern zu schleppen. Emma guckt wärehnd der Reise teilnahmslos und fällt alle paar Minuten hin. Das Portal, durch das der Entführer mit dem Namen Ink schlüpfen will, ist zerstört und ein längerer Weg muss genommen werden. Auf diesem Weg stellen sich ihm vier Storyteller und ein Pathfinder entgegen, um das Kind zu retten.

Kritik

Man erkennt es meist schon in der ersten Szene, ob das Werk, das untersucht und bestaunt werden will, von einem gelernten Fachmann oder von einem ungelernten Dilettanten stammt. Es wäre vielleicht auch schlimm, wenn dem nicht so wäre. Ink, diesen Eindruck erlangt man ohne Umschweife, ist ein Film von jemandem, der nie auf einer Filmschule gewesen ist. Das ist nicht schlimm, ungelernt ist ja nicht gleich unbegabt. Wenn man es kann, kann man es, so lautet eine in Stein gemeißelte Weisheit. Wenn man es nicht kann, sollte man es lassen oder aber einen Ort aufsuchen, wo einem Können vermittelt wird. Tatsächlich startete die Produktionsgeschichte Ink so, dass ein Film gedreht werden sollte, aber kein Cent Budget vorlag. Das hoffnungsfrohe und bis in die letzte Faser von sich selbst eingenommene Team spekulierte darauf, im Laufe der Produktion auf spendierfreudige Geldgeber zu stoßen, sobald andere die unverkennbaren Massen an Potenzial des Projekts entdecken.
Nun ja. Das, was schließlich dabei rauskam, ist, gelinde gesagt, eine halbgare Angelegenheit. Ein Strauß zumindest in der Theorie vorzeigbarer Ideen, ein Kübel unverwirklichter aber auch unverkennbarer Ambition und ganz viel Zeug, das bereits im Ansatz fundamental scheitert.

Es beginnt schon mit zahlreichen Effekten, die gleichzeitig schlecht und völlig deplatziert wirken. Und das ist, wie so vieles an diesem Endergebnis, elendig schade, denn ohne die ganze unnütze Effektüberladenheit, ohne die ekelhaft penetranten Farbfilter, ohne all das, was selbst den guten Wille, der zweifelsohne vorhanden war, zur Gänze verdeckt, könnte man besser von Ink reden, als es hier getan wird.
Überall deklariert der Film, er habe mehr gewollt als gekonnt. Man sieht ununterbrochen, dass man eine vage Idee, aber keinerlei praktikablen Plan zur Umsetzung parat hatte. In der zweiten Filmhälfte raschelt das namensgebende Glöckner-Ungetüm mit seinen 1 1/2 Gefangenen durch mehrere skurrile Stationen, die alle nur schräg um des Schrägseins willen sind. Das alles wirkt so unorganisch und zusammenhangslos, als wäre Ink eigentlich eine zusammengewürfelte Kurzfilmkompilation. Auch sind wir mittlerweile kulturell eigentlich so weit fortgeschritten, dass Bösewichte einen Grund dafür brauchen, schwarzen Kajal zu benutzen. Benutzen sie ihn nur, um mehr nach ihrer Gesinnung auszusehen, dann macht das eine Figur nicht plastisch und einen Film nicht gut. Bekämpft werden die Schurken von einem Superheldenquartett, von dem zwei Mitglieder aber absolut gar keine Funktion haben.
Die laienhafte Ausführung wird komplettiert durch chronisch dumpfe Soundeffekte, planlose Perspektiven, völlig verkochte Farbfilter und unangenehm hektische Schnitte, die zu kaschieren versuchen, dass niemand einen Kampf choreographieren konnte, geschweige denn sich in der Lage sah, eine theoretische Choreographie in die Praxis umzusetzen.
Zwar gibt es durchaus auch einige Szenen, die als teilweise gelungen empfunden werden können, der ständige unmotivierte Wechsel diverser Genres und Stimmungen macht das aber mehr als wett.
All das klingt streng und überheblich von Rezensentenseite, und beides ist es auch. Trotzdem macht einem der Film eine Bewertung nicht ganz so furchtbar leicht, wie es nach der langen Schimpftirade anzunehmen sein sollte. Der gute Punkt es Filmes ist, dass es nicht richtig schlimm langweilig wird, weil sehr viel passiert. Auch wenn natürlich alles das, was passiert, ist in der Regel sehr, sehr unbedarft ist. Das führt zu dem paradoxen Schluss, dass Ink nicht ganz so schlecht ist, weil er viele schlechte Szenen hat, die ihn einfach nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Geschehnisse ein wenig aufwerten. Trashcharme erarbeitet sich das Werk dadurch aber keinen.

Fazit

Es ist nicht alles Mist, was stinkt. Und irgendwie möchte man Ink einen gnädigen Bonus verpassen. Einfach, weil es so wenige Sci-Fi-Filme gibt, die gleichzeitig auch düsteres Märchen sein wollen. Und fast wäre der Film auch wie eine dieser naiven Fantasy-Serien aus den naiven 90ern, eine von den mittelmäßigen, die durch ihre charmante Unbedarftheit und Harmlosigkeit punkten konnten und die Sonntagnachmittage rasend und süßlich machten.Doch das Projekt hat einige gar nicht so schlechte Ansätze und sehr viel schlechte Umsetzung zu bieten, sodass selbst besagter Charme es die meiste Zeit sehr schwer hat. Unterm Strich ist Ink überwiegend billig und nervt an furchtbar vielen Stellen durch seine gekünstelte Art.

Judge

15. Japan-Filmfest Special 9

Yoshiki Tonogai großer Mangaerfolg Doubt ließ Judge folgen, der von den Fans ähnlich frenetisch verschlungen wurde. Regisseur und Drehbuchautor Yo Kohatsu nahm sihc den Stoff als Vorlage für einen selten müden Film.

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Story

Sieben Menschen erwachen aus ihrem Schlaf. Festgekettet auf einem Stuhl vor einem Tisch, eingekerkert in einen abgeriegeltem Raum von unbekannter Lage. Und alle tragen überdimensionale Tiermasken auf ihren Köpfen.
Vor jedem öffnet sich ein Bildschirm aus der Tischplatte, auf dem die Namen der Anwesenden geschrieben stehen. Es stellt sich heraus, dass alle hier Versammelten eine irgendwie amoralische Vergangenheit haben, für die sie nicht büßen mussten. Bis jetzt.
Der Computer verlangt von den Gefangenen, dass sie sich bei laufender Uhr gegenseitig Nominieren. Der Träger des Namens mit den meisten Stimmen wird maschinell hingerichtet.

Kritik

Der erste Eindruck ist ein durchaus positiver, da der Zuschauer umweglos in das Geschehen geschleudert wird und gemeinsam mit den Figuren in einem unbekannten Raum mit eine Sack voller Fragen aufwacht und kaum Zeit hat, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Als erstes fällt die ambitionierte Kameraarbeit auf, die den Raum mit großer Mühe ausformuliert und das Kunststück schafft, den sehr limitierten Schauplatz, der aus wenig mehr als einem rechteckigem leeren Zimmer besteht, nervös und spannend in unterbeleuchteten Bildern einzufangen. Wären da nicht die grundlosen Surrgeräusche bei den Zooms und Schwenks sowie wiederkehrende Bildstörungen, die inhaltlich nicht begründbar sind und atmosphärisch keinen Gewinn einfahren, könnte man der Präsentation wenigstens auf dem Papier kaum etwas vorwerfen.
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Es ist wichtig, dass der Film keine Zeit verliert und darum bemüht ist, möglichst rasch voranzuschreiten. Den Figuren aber wird durch die überhastete Erzählweise eine glaubwürdige Entwicklung gänzlich unmöglich. Einzig ein Herr mit Hasenmaske bekommt ein wenig Profil, während alle anderen grob und lieblos ihre plumpen, vorhersehbaren Funktionen erfüllen. Doch nicht einmal besagter Hasenkopf ist auch nur im Ansatz sympathisch. Durch die konstruierten Probleme, die auftreten („Ich brauche meine Medizin!“), und die völlig unmotivierten Entscheidungen der Gefangenen entstehen beim Zuschauer im besten Falle Antipathien, meist bleibt es aber bei bloßer Gleichgültigkeit den Gefangenen gegenüber. Sie sind flach, vollkommen uninteressant, fast sämtlich hysterisch und bar jedes Entwicklungspotenzials. Es ist egal, dass sie Reih um Reih sterben, weil eine Sorge um sie unmöglich entstehen kann.
Judge macht keinen Hehl aus seinem Wunsch, furchtbar gerne eine Art Saw mit der Atmosphäre eines Cube sein zu wollen, erreicht aber nicht einmal die fragwürdige Klasse eines der Sequels genannter Filme. Mit einer völlig aussagelosen Bildsprache erzählt der Film eine Geschichte, die durch ihre Prämisse Überraschungen verspricht, tatsächlich aber mit keiner einzigen unvorhersehbaren Wendung aufwarten kann. Alles verläuft nach Schema F, ist furchtbar ideenarm und lasch. Judge ist ein atmosphärisches Bild und 78 Minuten heiße Luft, ein Kartenhaus, das nach zwei aneinandergelegten Karten unspektakulär in sich zusammenfällt und dabei nichts verursacht, als ein wenig aufgewirbelten trockenen Staubt.
Trotz der unverkennbaren Vorbilder versucht der Film nicht, mit Gewalt zu punkten. Die Sterbeszenen sind so unblutig wie unspektakulär. Viel lieber wäre er ein psychologisches Kammerspiel über menschliche Abgründe, der die Sensation der Brutalität nicht braucht. Ein ehrenwertes Vorhaben, das zur Durchführung aber interessante Charaktere und eine erzählenswerte Geschichte bräuchte. Yo Kohatsus Manga-Adaption hat nichts davon. Die bemitleidenswerte Pointe des Filmes ist dann der eigentlich schon überflüssige letzte Sargnagel eines total irrelevanten Blenders.

Fazit

Nach einem interessanten Anfang entpuppt sich Judge als ideenlose Hülle ohne Potenzial. Trotz seiner knappen Laufzeit gibt sich der Film zäh und umschifft gelangweilt jede Möglichkeit auf Überraschung.
Ein schön fotografierter Raum, der nicht gefüllt wird.

Sado Tempest

15. Japan-Filmfest Special 8

Gefühlt wurde kein anderes Stück Shakespeares so häufig verfilmt wie Der Sturm; es ist ja auch kein anderes so freudig weit geöffnet für alle möglichen verqueren Deutungsbefüllungen.

The whole world is skating on thin ice.

Story

Japan. 2042. Gerade noch steht der Frotman einer J-Rock-Band auf der Bühne, hält eine Ansprach, will in den Song einsteigen. Dann stürzt er auf die bedeutungsvollen Bretter. Die Welt, die sie bedeuten, wird schwarz, kippt und verschwindet. Man sieht ihn auf einer Gefangeneninsel, gerade neu eingetroffen, wo er mit anderen Inhaftierten tagsüber im seit fünfzehn Jahren währenden Winter Gold schürfen muss und nachts in seiner kargen Zelle ruht. Immer und überall kreischt der Wind. Der Aufseher ist ein sadistischer Unhold und eine Flucht scheint unmöglich. Sprengköpfe, Kannibalen, Dämonen. Die Geschichten über die Greuel der Insel sind so zahl- wie facettenreich. Und sollte auch keine davon stimmen, warten im besten Falle Hunger und Kälte.
Als Künstler hat der Sänger eine besondere Stellung. Er soll singen, trägt ihm der Aufseher auf. Doch er verweigert, denkt nur an Flucht. Eine vereinsamte Frau jammert in Dämmerlicht ihre Lieder von diesem Ort, fern aller Orte.

Kritik

Egal, wie viele Tasten man mit seinen Fingerkuppen schon abgenutzt hat. Egal, wie viele Filme schon verdaut und für andere neu angerichtet wurden. Der Anfang einer Kritik ist meistens das Schwierigste. Vor allem bei Filmen wie Sado Tempest. Filmen, die genau den Geschmack des Schreiberlings treffen, durchdachte mit seinen Nerven spielen, Vorlieben bedienen und auf selten vielen Ebenen Anklang finden. Filmen, die keinen Hehl darum machen, für einen verschwindend kleinen Zuschauerkreis gemacht zu sein und dem Rest zu missfallen. Filmen, die als pseudointellektuelle, gewollt bohemienhafte Kunstscheiße, als selbstverliebter Egotrip eines völlig überambitionierten Regisseurs und seiner verblendeten Jünger abgestempelt werden. Und all das wohl irgendwie zu Recht. Filmen, die gefallen und trotz hoher Wertung nicht ihr Publikum finden werden, ebenso zu Recht.
Man male sich aus, Apichatpong Weerasethakul hätte das Drehbuch zu Valhalla Rising verfilmt. Wem dies gefallen könnte, der sei an dieser Stelle angehalten, weiterzulesen und sich um Gottes Willen den Filmtitel für den Fall einer zukünftigen Veröffentlichung zu notieren. Oder sich das Produkt direkt aus dem Ausland zu bestellen.
jitterbug2   maxresdefault   Prisoners in snow
Eine ungewöhnlich verkeilte Kamera zeigt mystisch-klare Bilder einer öden kalten Landschaft aus zackigem Vulkangestein, die aber unerklärlich warm wirken. Ins Trübe stierende, vor Dreck starre Gesichter auf den Schultern entrückter Gestalten gleiten durchs Bild, dazu okkult anmutender klerikaler, seltsam amelodiöser Gesang und eine Instrumentalisierung, die in minimalistischer Weise glasklar nachhallende Töne hervorbringt. Entweder beunruhigend kaltes Licht oder endlos tiefe Schatten. Mehr gibt es nicht in dieser, unserer Welt.
Sado Tempest ist kontemplativ, stachelig, finster und voller Musik von keineswegs angenehmer Stimmung; ist verschlossen, unerklärlich, hochgradig merkwürdig; Sado Tempest hat Hoffnung als durchgängiges Leitmotiv, das sich abhebt vor allem Elend, Tod und Versagen, das durch jede Niederlage und jedes Eingeständnis schimmert, als Keim in allem Scheitern liegt, am Leben hält und auf den richtigen Augenblick zum Sprießen wartet. Geduld als Hoffnung. Beharrlichkeit als Hoffnung. Menschlichkeit als der Versuch, dieses sonderbare Phänomen zu begreifen.
John Williams Film ist wie der blinde Pilger, der einem später begegnet. Er bewegt auf einem schmalen Weg, der nur Abgrund um sich hat, doch in der Tiefe liegt alles. So kryptisch die Geschichte auch anmutet und so wenig Aufschluss diese Besprechung wohl verspricht: Auch wenn man für sich keinen passenden Lektüreschlüssel findet, erschließt sich das Werk einem doch auf eine intuitive Weise ganz automatisch. Der erwartete J-Rock bleibt nach dem Prolog weitestehend aus, ersetzt wird er von einem urtümlichen Rhythmus, dem die Inszenierung folgt. Man muss sich an ihn gewöhnen, sich ihm anpassen, ist das erst einmal gelungen, ist keine Anstrengung mehr vonnöten. Der Film trägt einen, erzählte Zeit und Erzählzeit beginnen sich voneinander zu lösen, das Schauen wird Erlebnis.
Das vermeintlich Reale ist durch Schwarzweiß verfremdet, das vermeintlich Irreale in kühl-realistischen Farben gehalten.
Dass Sado Tempest trotz seinem Hang zur Chiffrierung unablässig spannend ist, ist damit hauptsächlich Verdienst der Wechselwirkung zwischen Filmmaterial und Zuschauerleistung. Dass das funktioniert, liegt aber an der formalen Perfektion, die an den Tag gelegt wirkt und einzigartig präzise Bilder liefert, eingefangen in genau durchdachten Einstellungen, die zusammen schlüssig ein Ganzes ergeben. Die Unbeirrbarkeit, mit der der Film seinen Stil durchhält, macht sein Faszinosum aus. Das Ergebnis ist eines, in dem man sich eigentlich nur verstricken kann, so verboten Stilsicher ist es geworden. Ein Erlebnis, das so undurchlässig ist, wie der Wille des Protagonisten selbst.
Ein Film über die Dünne von Eis.

Fazit

Wenn nicht nur der Anfang, sondern die Kritik zur Gänze schwerfällt, wird es beim Fazit nicht leichter. So unkonventionell die Besprechung, so unkonventionell ist auch Sado Tempest. Wen die hier verlorenen Worte neugierig machen, der ist vielleicht an der richtigen Adresse. Die Art von Film, bei dem der schale Ausspruch ‚Man hasst es oder liebt es, dazwischen ist nichts‘, ausnahmsweise zutrifft.
Eine packend harte, aus dem Raum gefallene Geschichte über das Prinzip Hoffnung. Unzugänglich, verschlossen, schwierig, aber auch poetisch, bewegend und unerklärlich intuitiv. Nur eben nicht für jeden.