Stag Night

Das Mini-Genre des U-Bahn-Horrors ist eigentlich immer gern gesehen. Egal, wie der Film denn nun eigentlich ist – Klaustrophobie und eine ordentliche Atmosphäre im finsteren Gedärm einer Stadt gibt es eigentlich inklusive. Dass daraus aber nicht zwangsläufig ein netter Film entstehen muss, beweist Stag Night nachdrücklich.

We went on the wrong tunnel.

Story

Dass sich unterhalb von New York ein zweites New York befindet, ist hinlänglich bekannt. Ein unüberschaubares, teilweise aufgegebenes Netzwerk aus U-Bahn-Tunneln zieht sich hunderte Kilometer lang durch den Untergrund, lockt Aussätzige an und fungiert als Garten Eden für Ratten. Als sich ein klassisch aus dem Ruder laufender Junggesellen-Verabschiedungs-Verband in die verlassenen Tunnel verirrt, macht dieser schnell Bekanntschaft mit ein paar mordlüsternen Mutanten.

Kritik

Irgendwann musste es mal soweit sein. Stag Night von Peter A. Dowling (der bisher vorrangig als Autor des Langweilers Flightplan bekannt war und hiermit sein Regieudebüt abgibt) steht auf dieser Seite ohne richtigen Grund, denn Science-Fiction ist das weder im engeren noch im weiteren Sinne. In der Inhaltsangabe auf dem DVD-Rücken wird irgendwas von Mutanten gefaselt, doch eigentlich werden hier nur ein paar Dumpfbacken von mundfaulen Obdachlosen zerstückelt.
Aber tun wir mal so, als handele es sich um Mutanten, und besprechen den Film. In der dritten Person.

Die vorgeblichen Mutanten, wegen denen man sich das alles antut, sind allzu oft gar nicht zu sehen, sondern huschen in unglaubwürdigen Bahnen als blamabelste Kamera-Ego-Perspektive der jüngeren DVD-Geschichte durch die Kammern und Tunnel. Sie sehen aus wie der durchschnittliche Vagant und klingen wie der unterdurchschnittliche Ork.
Begleitet wird der Unsinn von billig produzierter, viel zu verrauschter Gitarrenmusik, die manchmal in Ordnung geht, manchmal aber auch jede Möglichkeit auf Atmosphäre zunichtemacht, weil sie rücksichtslos in das Geschehen hämmert. Die Kamera agiert wie im Zeitraffer, zuckt ständig hektisch umher und scheint keinerlei Fokus zu kennen. Man kennt die Klage bei diversen Filmen, seit Handkamera en vogue geworden ist, Stag Night treibt dies mühelos auf ein gänzlich neues Level.
Gefilmt ist das Ganze wie ein Amateurfilm der Mittelklasse. So hektisch die Schnitte auch sind, wirken sie doch alle etwas neben der Spur, als hätte der Cutter nicht gewusst, wie das alles eigentlich funktioniert. – Oder eben, als hätte der desorientierte Kameramann auch gleich den Schnitt vorgenommen. Die Introduktion der Charaktere fällt gleichsam hilflos aus. Der Versuch, ihnen Tiefe zu verleihen, ist so unbeholfen wie plump, die Dialoge streckenweise kaum zu ertragen und sorgen bestenfalls dafür, dass die Protagonisten als gestelzt redende Streitsucher erscheinen und sich im Laufe der Handlung auch einzig dahingehend entwickeln, dass sie zusätzlich auch noch reichlich dämlich sind und so einen hässlichen U-Bahn-Tunnel-Mord schon irgendwie verdient haben. Zum Glück wird das Körbchen mit all den Faulen Äpfeln schnell geleert.

Dass die Handlung voller Logikfehler ist, gehört bei allem anderen dann auch zum guten Ton. Da schlendern die vom Drehbuch verurteilten seelenruhig einen U-Bahn-Tunnel hindurch, während sie nicht wissen, wie weit die Stationen voneinander entfernt sind, ihnen durchaus aber bewusst ist, dass jede Stunde ein Zug durch die Tunnel rattert. Auch dass man unentdeckt plappern darf, der blutrünstige Untergrundbewohner aber sofort aufschaut, wenn der Fuß etwas berührt, ist ein Naturgesetz in Stag NIght. Das Grüppchen ist immer unnötig laut und quasselt sorglos vor sich hin, während es sich vor den nur wenige Schritte entfernten Jägern versteckt. Trotzdem wundert man sich immer wieder aufs Neue über den Tod. Wer sich, während er von Killern durch einen scheußlichen Irrgarten getrieben wird, darüber streiten will, ob er Trauzeuge irgendeiner Hochzeit ist, oder nicht, ist ohne Wenn und Aber von einem immensen Lebensüberduss befallen.
In einigen Momenten kommt dann doch kurz so etwas wie Spannung auf, so eine Untergrundwelt, die nur wenige Meter vom menschlichen Alltag entfernt liegt, aber doch kaum begreiflich fremd und fern ist, hat einfach Potenzial. Doch die stümperhafte Regie ist in diesen Momenten immer relativ schnell zur Stelle, um den Film wieder in sein Gebiet zurückzuholen.
Nun, man mag sagen, dass das alles schon zu billigen wäre, so lange die adretten Frauen auch nach einer Terror-Hetzjagd im Zentrum des New Yorker Drecks noch wie frisch aus den Ei gepellt aussehen und die Gore-Effekte stimmen. Diese sind aber im besten Fall Mittelmaß und auch alles andere als kreativ umgesetzt. Einen Blumentopf gewinnt der Film auch damit nicht.
Da das alles ziemlich blöde daherkommt und der Streifen nicht zulässt, dass man die ‚Guten‘ mag und die Bösen ernstnimmt, lässt Stag Night einen die volle Laufzeit über herzlich kalt. Man ist nicht gelangweilt, aber so leidlich unterhalten, dass man ebenso gut abschalten und über Eis nachdenken könnte. Zu allem Überfluss zeichnet der Film auch noch ein hässliches, feindseliges Bild von der ganz unteren Bevölkerungsschicht, sodass dieses Machtwerk am Ende nicht nur an seiner bedeutungslosen Mangelhaftigkeit krankt, sondern auch noch ein fragwürdiges Weltbild transportiert.

Fazit

Stag Night ist ein hilflos inszeniertes B-Movie mit einem völlig gleichgültigen Drehbuch, in dem ein vertrottelter Trupp von Arschlöchern sich gegen verlotterte Grobiane zu Wehr setzen muss. Logik und Erklärungen bleibt der Film bis zum Ende schuldig. Allerdings ist er sich nicht zu schade, sich herablassend über Obdachlose, Frauen und den Zuschauer zu äußern.

Wer einen modernen U-Bahn-Schocker mit einem Hauch Science-Fiction, dafür aber auch in psychologisch kluger Ausführung und mit saftigem Splatter sucht, ist mit Midnight Meat Train definitiv besser bedient. Aber auch der Klassiker Tunnel der lebenden Leichen oder die kanadische Kleinstproduktion End of the Line bieten entschieden besseren U-Bahn-Horror als er hier geboten wird.

Ant-Man – Der Teaser ist da

Der erste Teaser zu Ant-Man ist online (seit gestern im Internet, seit heute hier, da das Schicksal gerne Server korrumpiert). Marvel lässt sich weiterhin nicht beirren und legt nach Guardians of the Galaxy einen weiteren außergewöhnlichen Genre-Ausflug vor. Wohl dem Studio, das sein eigenes Genre schneller erweitert und persifliert, als es Dritte tun können.

Doctor Who – Siebter Doktor (Volume 1)

Science-Fiction befand sich weltweit immer noch im Aufschwung. Weltweit? England war ein kleines Land am Meer, in dem es eine traditionsreiche Genre-Perle ungemein schwer hatte. Doctor Who sollte abgesetzt werden und hatte nur noch eine verschwindend geringe Chance: Den siebten Doktor.

Nachdem die immense Popularität der britischen Kult-Serie Doctor Who auch in Deutschland seit ihrer Reboot ungebrochen anhält, lässt es sich Pandastorm Pictures nicht nehmen, auch die vergangenen Doktoren dem deutschsprachigen Raum zugänglich zu machen. Den Anfang macht der siebte Doktor, dessen Abenteuer in zwei DVD-Boxen veröffentlich werden. Diese Besprechung widmet sich der ersten.
Nachdem die Neuauflage von 2005 hier nicht sonderlich gut ankam, konnte der Kinoausflug im Jahre 2013 umso mehr begeistern.

Everything is under control.

Story

Die Tardis wird von der Rani angegriffen und kann mehr schlecht als recht auf Lakertia bruchlanden. Durch die Heftigkeit der Erschütterung kommt der Doktor ums Leben und es folgt die Regeneration zum siebten Doktor. Nach der anfänglichen Phase der Desorientierung und Amnesie tut er sich wieder mit seiner Begleiterin Melanie zusammen, um den gefährlichen Plan seiner Jugendfreundin Rani zu durchkreuzen und im Anschluss wieder seinem Tagesgeschäft nachzugehen: Leuten zu jeder Zeit und an jedem Ort eine helfende Hand zu sein.

Kritik

Es steht wohl außer Frage, dass man sich bei dem Doktor der 80er noch mehr als beim Doktor der 2000er darauf einstellen muss, eine eindeutige Fernsehproduktion zu sehen, die zum Teil auf Jugendliche zugeschnitten ist, folgerichtig auch aussieht, wie eine Mischung aus einem NDR-Schwank und einer russischen Kinderserie und sich zudem auch noch einen Spaß aus ihrer günstigen Machart macht. Das ist es ja auch, was Doctor Who zu großen Teilen ausmacht.
Grobschlächtige Kostüme sind Zeuge bizarrer Modevorstellungen, die weibliche Begleitung sieht aus wie der gute Bibo von der Sesamstraße und ist viel zu oft am Kreischen, die Requisiten erwecken wie eigentlich das gesamte Szenenbild und auch das Schauspiel einen Anschein von Bühne. Dass Doctor Who im Grunde eine Kinderserie ist, kommt hier unentwegt zum Vorschein. Umso beachtlicher ist es, dass sich hinter diese Ebene gerade für die Zeit ein spannendes Konzept mit Anspruch, der sich eben auch klar an ein erwachsenes Publikum richtet, befindet, das auch hervorragend aufgeht. Sylvester McCoy als siebenter Doktor ist die wohl tollpatschigste, slapstickhafteste Reinkarnation des Timelords, doch sieht sich die Serie trotzdem nicht als reiner Klamauk, sondern nimmt ihre Figuren und deren Biographie ebenso ernst wie die behandelten Thematiken – und ist dabei dann bisweilen doch alles andere als kinderfreundlich.

Im Verlaufe der ersten Staffelhälfte fällt mehr und mehr auf, wie lässig die Science-Fiction-Serie eigentlich, den haarigen Produktionsbedingungen zum trotz, ist. Alles ist sehr heiter, nicht selten auch albern, aber doch nie ohne ironische Distanz. Eigentlich beobachtet man ein permanentes Augenzwinkern, das die Geschehnisse in ein bewusst naives Licht taucht, gute Dialoge liefert und das Ganze mit einer meist griffigen Musik unterlegt.
Dass man damals größere Ambitionen hegte und die Figur so sehr liebt, dass man mit gegebenen Mitteln und vorgegebenem Stil trotzdem mehr erzählen wollte, als man aufgrund von eben diesen Elementen eigentlich erwarten durfte, zeigt sich darin, dass sich Geschichten gerne über mehr, nämlich, bis zu 5. Folgen erstrecken, was in den 80ern für eine TV-Serie vor Twin Peaks als unerhört subversiv zu bezeichnen ist.
Dass jede fortzusetzende Folge damit endet, dass der schusselige Doktor und in manchen Fällen auch sein Companion in größter Lebensgefahr schweben, nur um in der Fortsetzung dann pfeifend aus er Gefahr zu tänzeln, als wäre nichts gewesen, ist angesichts dieser Umstände zu verschmerzen.
Bereits die zweite Geschichte ist eine Sammlung wunderbar kurioser Bestandteile und wohldosierten Unfugs. Eine Reihe hinreißend gestörter Figuren, ein total entrückter Doktor, ein ordnungsliebende Oberlippenbartträger in einem faschistoiden Mikrosystem, Kannibalen, Killerroboter und noch einiges mehr kreieren einen Budenzauber, der an kantenfreier Kurzweil nur schwer zu überbieten ist. Story Nummer 3 ist eine Zeitreise in die 50er Jahre mit allerlei Alien-Bonus, ein paar anerkennenswerten Einfällen und einem überraschendem Maß an kaltblütigen Morden mit Schusswaffen. Jede Geschichte im Einzelnen aufzuführen, brächte mehr Spannungsraub denn Zugewinn, so sei einfach gesagt, dass es unter der überschaubaren Anzahl an Geschichten keine Ausfälle gibt und selbst die schwächste Episode sehenswert ist. Die Episoden sind ausnahmslos einfallsreich und sehr rund erzählt und haben mit dem Mehrfach-Folgen-Format ihren idealen Erzählraum gefunden. Die Funktion der Begleitung ist in dieser Staffel, den Doktor nicht zu begleiten. Am Anfang der Hanldungen werden die beiden regelmäßig getrennt und erleben dann parallele Abenteuer., die sich alle paar Minuten mit Mini-Cliffhangern ablösen. Dieser episodische Charakter wirkt etwas aufgesetzt, stört aber nie und sorgt, wenn auch auf etwas einfache Weise, für konstante Spannung.
An der Geduld schabt die bis zu zweiminütige Vorschau am Ende einer jeden Episoden, zudem die nachfolgende nach dem ebenfalls recht behäbigen Vorspann auch mit einer Wiederholung der letzten Sekunden der Vorfolge einsteigt, sodass man gerade dann, wenn man mehrere Teile am Stück schaut, einiger Wiederholung ausgesetzt wird. Das ist grundsätzlich keine Katastrophe, da der Urzustand der Serie so beibehalten wird und all diese Para-Texte zum Seherlebnis dazugehören, eine optionale Abschaltbarkeit wäre dennoch eine zeitgemäße und rücksichtsvolle Maßnahme gewesen.

Fazit

Der tölpelhafte Doktor und seine naive Begleiterin geben ein komisches Gespann ab, das sich mit der Zeit erstaunlich nah ans Herz schleicht. Zusammen mit den knalligen Geschichten, ihren verschrobenen Bösewichten und vor allem anderen dem Umstand, dass die Geschichten so lange brauchen dürfen, wie sie eben brauchen, um erzählt zu werden, erweisen sich die Missionen von Doktor Nummer 7 als ein ordentliches Sehvergnügen, das manchmal ein wenig zu infantil geraten ist, dies aber mit viel Charme und der Liebe zu Überraschungen problemlos ausgleicht.
 

Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth

Harry Potter gebar Die Tribute von Panem und dieser Romanreihe folgte eine nicht mehr zu überblickende Masse an Dystopien mit auserwählten Kindern und Jugendlichen in den Hauptrollen. James Dashners Die Auserwählten-Reihe lässt sich genau dort verorten und musste ob ihres relativ großen Erfolges auch prompt verfilmt werden.

Never go beyond those walls.

Story

Vor 3 Jahren wurde der erste Junge auf die Lichtung geschickt. Seitdem wird jeden Monat ein weiterer zusammen mit Hilfsgütern mit dem Fahrstuhl an die Oberfläche gebracht. Wer dort ankommt, hat keine Erinnerungen und kann sich nach kurzer Zeit lediglich seines Vornamens entsinnen.
Die Lichtung ist umgeben von einem gigantischen Labyrinth, dessen Aufbau sich in jeder Nacht verändert und durch dessen Gänge in der Dunkelheit pirschen Griewer, halb-organische Ungeheuer, die bei Sichtkontakt sofort töten oder ein letales Gift über ihren Schwanzstachel abgeben, dabei sehr viel rumschleimen und ansonsten sehr an die Bugs aus Starship Troopers erinnern.
Thomas ist der neuste Ankömmling und sein Ziel ist es, sich den Läufern anzuschließen, die als einzige in dem Jungen-Mikrokosmos tagsüber den Irrgarten kartographieren dürfen, in der Hoffnung, einen Ausgang zu finden. Thomas unterscheidet sich in einer entscheidenden Sache von den anderen Gefangenen: Ihn suchen bruchstückhafte Erinnerungen heim. Als ein Aufeinandertreffen mit einem der Griewer erstmalig glimpflich ausgeht, bahnen sich Veränderungen an. Das Leben auf der Lichtung scheint nicht mehr sicher und plötzlich kommt, weit früher als erwartet, ein weitere Neuankömmling mit dem Fahrstuhl an. Es handelt sich um ein Mädchen, das Thomas zu erkennen scheint und eine Botschaft überbringt. Sie ist die letzte.

Kritik

Der Auserwählte kotzt in einen Fahrstuhl. Deutlicher könnte man kaum klarzumachen versuchen, sich von der Schwemme der Jugend-Dystopien abzuheben. Maze Runner gelingt das Kunststück, kein langes, für sich stehendes Einführungskapitel zu haben, sondern direkt mit hohem Tempo einzusetzen und alle nötigen Informationen im Zuge der schon trabenden Geschichte nachwirft. Dadurch geht der ganze Film ohne träge Minute vorüber und versucht zudem erfolgreich, grobe Unnötigkeiten in Form von nur zur Zeitdehnung dienenden Subplots abzusehen. Diesen Vorteil erkauft sich der Film aber mit etwas lahmer Trickserei. Es gibt keinen Grund, dass Thomas nicht sofort alles erzählt wird, was die Jungs über ihr Gefängnis wissen. Die wirklich wissenswerten Gefahren, davon erfährt er gemeinsam mit dem Zuschauer erst dann, wenn sie auftauchen. Es kommt hinzu, dass die Protagonisten – allem voran der häufig etwas zu blauäugig durch die Gefahr watschelnde Thomas – einige Dinge tun, die absolut unnachvollziehbar sind, und sie unnötig in Gefahr bringen, nur um eine Actionszene zum passenden Zeitpunkt herbeizuzaubern. Diese Szenen gewähren aber wenigstens alle einen weiteren Blick auf mögliche Antworten. Das Rezept von Maze Runner, so dreist es auch ist, ist ein gutes. Man stört sich höchstens formal an den kleinen Makeln, während man aber genaugenommen bestens unterhalten wird.
Der kleine Mikrokosmos, den die Jugendlichen sich zusammengezimmert haben, ist gut gelungen. Dass die Gruppe in einer grünen Insel im Herzen des Labyrinths lebt und dort ihre behelfsmäßigen Hütten errichtet, hat etwas Baumhaushaftes. Ein Baumhaus als Flucht- und Sicherheitsort für ein paar Kinder, die nicht wissen, wer was warum mit ihnen tut.
Dass die Dinge, die dort geschehen, tatsächlich so vonstattengehen würden, ist aber nur schwer zu glauben, und etwas formelhaft sind die Figuren mit ihren Tagesstrukturen und Hierarchien und nicht sehr überzeugend ist der Gedanke, dass dieses sonderbare soziale Experiment schon seit 3 Jahren funktioniert. Auch bleibt offen, wieso man nicht einfach das Baumaterial auf der Lichtung nutzt, um auf das Labyrinth zu gelangen, das so hoch gar nicht ist? Zwar wird dies kurz mit einer viel weniger naheliegenden Lösungsmöglichkeiten thematisiert, doch sofort mit „Wo willst du denn von da oben aus hin?“ abgetan, was die mit Abstand abwegigste Antwort ist, die man in diesem Film auf diese Frage geben könnte.

Vorwerfen kann man dem Film aber nicht, dass er langweilig oder uninteressant ist. Man fragt sich automatisch mit, was es mit dem riesenhaften Irrgarten auf sich hat und fiebert gespannt jeder Entdeckung entgegen.
Die Schauspieler sind unverbraucht, aber auch nicht über die Maßen talentiert; die Chemie zwischen den Figuren vorhanden und durchaus variabel, aber letztlich handelt es sich doch nur um leidlich gut maskierte Stereotypen. Eindeutig positiv hervorzuheben ist die musikalische Untermalung, die sich erfreulich zurückhält und in wichtigen Szenen fast schon minimalistische Töne angibt, die spannungsfördernd wirken, ohne je aufdringlich zu wirken. Was das hervorragende Moment an Maze Runner ist, das ist die Geschichte des Filmes. Und da alle anderen Aspekte eines Filmes nur dafür dienen, diese zu erzählen, lässt sich guten Gewissens schlussfolgern, dass Wes Balls Regiedebut in der Disziplin, auf die es wirklich ankommt, alles richtig macht. Vieles ist im Grunde Durchschnittlich, doch die gekonnte Inszenierung und das gut dosierte Freilegen neuer Informationshäppchen führen unweigerlich dazu, dass Maze Runner ein fesselndes Seherlebnis ist. Gerade der Fakt, dass man nur einen Schauplatz hat, der aufgrund seiner verwinkelten Struktur theoretisch aber alles überall verbergen könnte, macht das Seherlebnis interessant. Zudem man im weiteren Verlauf feststellen wird, dass ein Labyrinth auch abseits von ‚um die Ecke hechten‘ absolut imposant inszeniert werden kann.
Die schlussendliche Auflösung ist vielleicht ein bisschen spröde und lässt nicht unbedingt das allerbeste für die bereits feststehende Fortsetzung erwarten, doch ändert dies nichts daran, dass die zurückliegenden zwei Stunden hochgradig unterhaltsamen ausgefallen sind.

Man darf außerdem dankbar sein, dass die Romane nicht als Serie verarbeitet wurden, sondern man sich dafür entschied, sie in Filmform nachzuerzählen. So folgen die plot points in rascher Abfolge aufeinander, alles ist immer in Bewegung und die fesselnde Stimmung, die irgendwo zwischen Cube, Herr der Fliegen und Die dreibeinigen Monster changiert, saugt einen förmlich auf.

Fazit

Die Romanvorlage ist ein Pageturner und Wes Balls Verfilmung funktioniert auf die gleiche Weise. Hier ist etwas nicht ganz schlüssig, dort ist das Agieren einer Figur kaum begreiflich, doch all das spielt eigentlich keine Rolle, weil Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth ein echter Nägelkauer geworden ist.

Die Zeitmaschine

Zur Winterzeit ein Klassiker. Die nachlässig gepflegte Tradition (sofern man bei drei bisher vergangenen Wintern mit einem Traditionsbruch von Tradition sprechen kann) soll auch dieses Jahr fortgeführt werden – und zwar mit George Pals (Endstation Mond) Die Zeitmaschine von 1960.

One cannot choose but wonder.

Story

George ist ein Wissenschaftler mit edlen Motiven und von visionärem Geist, der sich in seiner Zeit ausgesprochen fehl am Platze fühlt. 1899 versammelt er seine Freunde am Neujahrsabend bei sich zuhause, um ihnen zu eröffnen, dass er eine Zeitmaschine gebaut habe. Der Wissenschaftler wird von seinen intellektuellen Gefährten belächelt, seine Offenbarung als ausgeklügelter Scherz abgetan.
Im Anschluss an das Zusammenkommen setzt er sich in seine Zeitmaschine. Er durchzieht die Jahre, rast in die Zukunft hinein und passiert mehrere Kriege, erlebt den Niedergang und das erneute Erstarken der Zivilisation bis er sich schließlich im Jahre 802.701 entschließt, die Reise für eine längere Zeit zu unterbrechen, da er sich in einer paradiesisch anmutenden Umwelt befindet.

Kritik

Die erste 24 Minuten eines Filmes über Zeit, dessen durchschlagendste These es ist, dass Zeit Raum verändert, in einem einzigen Raum abspielen zu lassen, ist die mit Abstand klügste Idee von Die Zeitmaschine. So lange nicht gereist wird, bleibt der Raum starr. Erst, wenn das Neujahr naht, kann der Raum gewechselt werden. Ab dann wird der Film sukzessive schneller. Das erste, noch zurückhaltende Vorauseilen in der Zeit wird begleitet von nachdenklichem Off-Text. Hier setzt sich fort, was bereits den kammerspielartigen Anfang mit seinem prunkvollen Interieur ausmachte. George Pal brilliert in seiner Paradedisziplin, der fließenden Kombination verschiedener Tricktechniken, die ihm im Laufe seiner Karriere mehrere Oscars einbrachte; unter anderem auch für Die Zeitmaschine. Die Liebe zum Detail ist überall sichtbar. Sei es das viktorianische Design der Maschine mit ihren Schneckenverzierungen an einem ehemaligen Friseurstuhl, der penibel gestalteten Drehscheibe und einer Energiequelle aus Kristall – was zur Entstehungszeit des Filmes tatsächlicher Forschungsgegenstand war -, oder die verschwenderisch ausgestatteten Szenenbilder, deren Gestaltung vor allem im letzten Drittel mit einer gänzlich fremden, aber trotzdem natürlich wirkenden Flora imponiert.
Schön anzusehen sind die animierten Aufnahmen, mittels derer das rasche Vergehen von Zeit kenntlich gemacht wird. Dahinschmelzende Kerzen, Huschende Schnecken, Faulende Ungeheuer und eilende Gestirne die 750.000 Dollar teure Produktion überrascht regelmäßig mit ausgefeilten Effekten, die auch heute keineswegs lächerlich, sondern hochgradig charmant wirken. Hervorzuheben ist die pfiffige Idee, das Vergehen der Zeit anhand der sich in Sekundenschnelle wandelnden Mode am alterslosen Leibe einer Schaufensterpuppe zu illustrieren. Da verzeiht man auch die ausführlichen Erläuterungen der vier Dimensionen zu Beginn, die ein Publikum voraussetzen, das von Physik noch nie etwas gehört hat. Doch dies bleibt nicht das einzige Eingeständnis, das ein Zuschauer von heute in Kauf zu nehmen hat.

Inhaltlich gibt man sich anfangs noch offen und erkundungsbereit, reißt Determinismusfragen an, thematisiert Hybris und Naivität, Sinn-, Genügsamkeits- und Verantwortungsfragen gleichermaßen und ohne viel Pathos. Darf man vor Verantwortung fliehen? Welche Gründe für einen Fluchtwunsch könnte es geben und können diese überhaupt von Bedeutung sein? Ist es möglich, dass sie nicht relevant sind?
Leider genügt es dem Sci-Fi-Klassiker nicht, diese Fragen zu stellen und mit ihnen zu spielen, sondern er versucht sich an eindeutigen Antworten.

Der Reisende stolpert mit seiner unzerstörbaren Frisur naiv und blauäugig durch die Zeiten, zieht grundlos Schlüsse und ist ein Meister der Kurzsichtigkeit und blühender Arroganz, dabei voller Vorurteile, um dem Film mit seiner simplen Moraldoktrin gerecht zu werden. Der Stolz auf die Moral und Richtigkeit der frühen 60er in Amerika ist es, die dem Film und seinen Protagonisten plötzlich vom freien Erkunder zum Apostel werden lassen.
Besonders in der eigentlich sehr interessanten Zeit der Morlocks und der Eloi, deren Geheimnis es zu entschlüsseln gilt, kommt dies mit Penetranz zum Vorschein. Damit gibt der Film schädlich präzise Antworten auf die eingangs geäußerten Fragen und versündigt sich gegen die Maxime der Bescheidenheit, die er zuvor selbst noch zur Diskussion stellte.
George entpuppt sich immer stärker als ein vor Eitelkeit strotzender Starrkopf, der mit erhobenem Zeigefinger durch die Fremde läuft und denselben Fehler macht wie jene, die die angeprangerten Kriege und das resultierende Unheil verursachten – er sieht sich als etwas Besseres, fühlt sich überlegen und seine Sicht von Richtig und Falsch als allgemeingültig. Die Zeitmaschine muss sich heutzutage den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auf eine schlechte Weise mehr als nur launige Unterhaltung ist. Sie ist ein Film mit einer reaktionären Botschaft, die besagt, dass Arbeit und Obrigkeitshörigkeit gut sind, Müßiggang aber gleichzusetzen ist mit Niedergang und Sittenverfall.
Trotzdem macht Die Zeitmaschine über die volle Dauer Spaß, beherrscht seine fantasievoll erzählte, fesselnde Geschichte mit ruhiger Hand und ist damals wie heute ein unterhaltsames Sehvergnügen, das Abenteuerlust entfacht. Die fragwürdige Moral hinter den Handlungen des vermeintlichen Helden wird vom Film jedoch nicht als solche erkannt, sondern als vorzuziehendes Weltbild verkauft.
Somit fungiert gerade dieser Zeitreisefilm als Zeitkapsel, die eine ungebrochen strahlende Erzähldynamik hat, aber Wertvorstellungen konserviert, die – gemessen an aktuellen, sich selbst als absolute Wahrheit verstehenden Wertvorstellungen – nicht mehr tragbar sind. Und damit wird mit Die Zeitmaschine in heutiger Sicht eine Geschichte über Zeit erzählt, die zur Entstehung des Werks so noch nicht lesbar gewesen ist. An der Romanvorlage von H. G. Wells mag das auch, aber keinesfalls ausschließlich liegen.

Fazit

Vom von Dialogen gesteuerten Anfang über das unruhige Brodeln durch die Äonen hin zu dem formal klassischen Formale in berauschender Kulisse. George Pals Die Zeitmaschine ist selbst eine Reise, die auch heute noch ihr Erlebnis wert ist. Wie ausschlaggebend Zeit ist, zeigt aber auch das fragwürdige Weltbild, das der Hauptcharakter hat und die noch weitaus fragwürdige Handlungsanweisung die der Film im Stillen formuliert. Wer sich dessen bewusst ist und dies vom bloßen Unterhaltungswert zu abstrahieren weiß, kann der Wertung guten Gewissens einen Punkt hinzuaddieren. Wer dies nicht möchte, wird den Film womöglich als latent ärgerlich empfinden – und sollte vielleicht denselben Punkt von der Wertung subtrahieren.

Space Pirate Captain Harlock

Seit 1977 macht der rebellische Weltraumpirat Harlock nun schon das All unsicher, bekam nach seiner Manga-Reihe Anime-Serie und Filme spendiert und ist bis heute eine lebendige Größe in der japanischen Popkultur. Der neuste Ableger ist ein 30 Million teurer Animationsfilm aus der Toei Animation-Schmiede.
Der verpflichtete Regisseur Shinji Aramaki ist vor allem bekannt für seine Appleseed-Filme und legte vor Space Pirate Captain Harlock (so der Name im Englischen) Hand an Starship Troopers: Invasion.

Let’s make this quick.

Story

Die Menschheit expandiert ins weite All und explodiert in ihrer Anzahl. Doch auch auf neuem Terrain regieren alte Probleme: Ressourcen werden knapp, alles geht den Bach runter und man besinnt sich des Heimatsplaneten. Die Erde sieht sich plötzlich konfrontiert mit einem enormen Zuwandererstrom, woraufhin eine gewaltige Schlacht um den Blauen Planeten entbrennt.
Harlock, der namensgebende und außerdem unsterbliche Weltraumpirat, schert sich nicht um den Blick über die Schulter zurück und macht mit seinem gefürchteten Raumschiff Arcadia, das so unzerstörbar wie er selbst zu sein scheint, den Weltraum unsicher, indem er Schiffe der herrschenden Gaia Sanction überfällt.
Der junge Yama heuert auf dem Kahn an und tut sich rasch durch seine hervorragenden Qualitäten als Bordschütze hervor. In Wirklichkeit schleuste er sich im Auftrag des obersten Kommandeurs der Gaia Sanction ein, um Harlock das Handwerk zu legen und seinen geheimen Plan zu vereiteln.

Kritik

Legt man den Kopf ein wenig schief und vergisst man darüber hinaus, dass man einen Film schaut, so sieht Space Pirate Captain Harlock aus, wie eine der besseren Zwischensequenzen eines der besseren Videospiele. Das liegt zum einen daran, dass Zwischensequenzen moderner Videospiele teilweise zum Niederknien gut aussehen, und zum anderen an der etwas zu geringeren Auflösung sowie den fehlenden Details; erinnert man sich an den Reichtum der Gesichter in Final Fantasy VII: Advent Children, fällt trotz des für einen Animationsfilm gehobenen Alters des Square-Enix-Streifens auf, dass der Weltraumpirat ein paar Schritte zurückliegt. Das ist aber bei Weitem nichts, was den Sehgenuss stört, denn tatsächlich ist die Optik das Meisterstück des Filmes. Das Artdesign ist so speziell wie rund, besonders die Liebe zum Detail sticht hervor. Seien es die merkwürdigen Rüstungen von Harlocks Mannschaft – irgendwo zwischen Ritter, Taucher und Roboter –, sei es die verkörperte Häme in Vogelform auf der Schulter des Kapitäns oder die Architektur der Arcadia selbst, die sowieso der geheime Star des Filmes ist. Die rasante Inszenierung, einnehmende Kamerafahrten und gekonnte Spielerei mit Perspektiven tragen den Rest dazu bei, dass Space Pirate Captain Harlock ein ziemlicher Augenschmaus ist.

Wie es in der Harlock-Geschichte Tradition ist, legt man großen Wert darauf, Piratenmotiven eine weltraumtaugliche Transformation zu bieten. Es ist beeindruckend, wenn der Kapitän verwegen das Steuerrad kurbelt und auf Kollisionskurs lenkt, wenn der dicke Pott dann mit seinem protzigen Totenkopf am Bug, der zugleich als Ramme dient, sich in ein feindliches Schiff gräbt und das Entern der blutdurstigen Crew beginnt. Auch auf moralischer Ebene wird das Piratendasein am Anfang noch mit Konsequenz gewürdigt. So feuert die Mannschaft rücksichtslos auf Unschuldige und tötet, ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden, Hunderte in wenigen Minuten, um ihr Ziel zu erreichen. Der Film folgt keinen Helden, sondern einer Gruppe von Mördern, die das Gemetzel lieben und siegreich sind, weil sie einfach das bessere Kriegswerkzeug und die größere Dreistigkeit besitzen. Die Geschichte hat ansprechende Wendungen zu bieten und die – allem voran moralische – Ambivalenz Harlocks wird lange Zeit aufrechterhalten. Welche der beiden Seiten im Recht ist, oder ob beide sich irren, dafür liefert der Film geschickt mal die eine, mal die andere Antwort, sodass der Zuschauer genau wie Yama schnell in eine Haltung der Unsicherheit kommt.
Was sich selbst als interessantes Erzählprojekt mit Möglichkeit auf eine Kontroverse und ein draufgängerisches und bitterböses Piratenmärchen im Weltraum ankündigt, entwickelt sich mit fortschreitender Laufzeit immer mehr zu einer klassischen Action-Abenteuer-Episode.

Außerhalb der Arcadia verliert Space Pirate Captain Harlock ordentich an Schwung und auch an fühlbarer Inspiration. Die alleinig den Antagonisten gewidmeten Szenen fallen im Vergleich holprig und keineswegs frei von Klischees aus, allerdings handelt es sich hierbei auch nur um wenige Minuten. Ein Großteil des Films spielt an Bord des geheimnisvollen Schiffes – und das ist gut so. Zwar verspricht auch das Universum mit seinen unzähligen brachliegenden Planeten spannende Erfahrungen, doch ist das geheimnisvolle Piratenschiff mit seinem noch geheimnisvolleren Kapitän zweifelsfrei das interessanteste Objekt in eben diesem. Zusammen mit dem jungen Rekruten erkundet der Zuschauer das Gefährt, kommt seinen Bewohnern n näher und macht sich langsam einen Reim auf die Geschehnisse. Das funktioniert anfangs anstandslos gut, ist stets spannend und vor allem bestens in Szene gesetzt. Wie erwähnt, verlieren die Charaktere dadurch aber an Schneid. Aus den Raubeinen werden semi-sympathische Stereotype, die es eigentlich nur gut meinen und die interessanten Fragen werden schon früh mit denkbar uninteressanten Antworten bedacht.
Immer öfter stellt sich Leerlauf zwischen den Kämpfen ein und leider steigt exponentiell zur sinkenden Spannung der Pathos an. Dialoge werden lahm, Harlocks Mantel wird ein paar man zu häufig geräuschvoll zur Seite geworfen und manchmal ist die Musik derart huldigend und kitschig, dass die Finger wie von selbst an die Regler wandern.

Fazit

In seinen temporeichen Momenten ist Space Pirate Captain Harlock wunderbar anzusehen und absolut unterhaltsam. Je länger der Film dauert, desto verbrauchter wirken die Figuren und das Setting. Alles, was interessant und vielversprechend wirkte, schält sich nach gut 20 Minuten aus seiner Hülle und ist plötzlich doch nur arg gewöhnlich. Der ebenfalls über die Laufzeit erstarkende Pathos ist nie so fatal und lachhaft, wie in Space Battleship Yamato, strapaziert aber doch die Nerven.
Was bleibt, ist ansehnliche Action, ein cooler Antiheld und die verstörende Ahnung, dass dieser Film in 3D womöglich besser gewesen werde.

Kingsman: The Secret Service – Ein neuer Trailer zur abgehobenen Comicverfilmung

Vielleicht gab es hier morgens noch nie etwas derart abgefahrenes zu sehen, wie Trailer Nummer 3 von der eigenartigen Genre-Mixtur mit Colin Firth, Samuel L. Jackson, Mark Strong, David Beckham, Lady Gaga, Adele, Elton John, Mark Hamill und jeder Menge absurder Gewalt.
Aus der Feder des bisher fraglos als Genie zu bezeichnenden Matthew Vaughns.

The Zero Theorem

Es hat lange gedauert, bis The Zero Theorem seinen Weg in die hiesigen Kinos geschafft hat. Trotz unerschöpflichen Monty-Python-Kredits und unsterblicher Filme wie Brazil, 12 Monkeys und König der Fischer wurde Terry Gilliam von der Filmindustrie immer als Problemkind behandelt. Die monumentale Länge monumentaler Filmideen, die es wegen fehlender Investoren nie zur Realisierung gebracht haben, spricht eine ebenso deutliche Sprache wie die fehlende Aufmerksamkeit, die zum Beispiel Tideland zukam.
Dass The Zero Theorem alles andere als breit gestartet wurde und keineswegs nur Lob erfährt, ist somit alles andere als erstaunlich.

No. You’ve got it backwards, Qohen. Everything adds up to nothing, that’s the point.

Story

Qohen Leth ist ein von Phobien getränkter Paranoiker, der mit weit mehr als nur der Tatsache, dass niemand seinen Namen anerkennt, Probleme hat. In einer abgedrehten Zukunftswelt, wo jeder nur Werkzeug ist, das seinen Zweck nicht kennt, dient auch er dem gesichtslosen Management, um als Computergenie tagein, tagaus dieselbe Tätigkeit im Büro auszuführen. Doch Qohen will viel lieber in seiner zur Wohnung umfunktionierten Kirche bleiben und von dort aus arbeiten. Nicht nur, weil er dort doppelt so effizient wäre, sondern vor allem, weil er seit vielen Jahren schon auf den einen Telefonanruf wartet, durch den er den Sinn seiner Existenz erfährt.

Kritik

Und da ist er nun, der neue Gilliam, sich selbst ankündigend als eine Art Best-Of seiner allergrößten Werke – allem voran Brazil, dem sich der Film auch unverhohlen annähert. The Zero Theorem spielt in demselben kurios-futuristischen Universum, das so aussieht, wie man sich in den 80ern die Zukunft vorstellte. Grelle Mäntel, unpraktische Regenschirme, modifizierte 80er-Jahre-Frisuren, analoge Telefone und Computertürme, die den Spielekonsolen der frühen 90ern verdächtig ähnlich sind. Die Welt wirkt wie die Alptraumversion eines Straßenteppichs in einem Kinderzimmer, der eine Plastikspielzeugwelt abzubilden versucht. Also die Art von Dystopie, die eigentlich gar kein Versuch ist, tatsächlich in die Zukunft zu schauen, sondern die einfach nur Bestehendes hochrechnet und mit grell gefärbten Ängsten aufrührt. Die Art, an der viele Regisseure grandios scheitern – doch nicht Gilliam.
In dieser Welt der konsequenten Übertreibung agiert jeder, vor allen anderen aber Christoph Waltz, mit konsequentem Overacting und auch der Rest übt sich in allem, nur nicht in Zurückhaltung. The Zero Theorem ist ein kunterbuntes, atemloses Drunter und Drüber, in dem eine kauzige Idee die nächste jagt. Diese Ideen funktionieren beileibe nicht alle, ergeben aber trotzdem ein erstaunlich rundes und fast schon hypnotisches Gesamtbild. Die Rasanz, mit der sich Geschehnisse aneinanderreihen, ist ein Grund dafür. Ein anderer ist, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die vermeintlich weniger gelungenen Elemente ganz bewusst in ihrer Mängelhaftigkeit präsentiert werden, weil sich der Film selbst über sie lustig macht. Auch dies ist eine Gratwanderung, die kaum ein anderer Regisseur mit so viel Fingerspitzengefühl beherrscht, wie Terry Gilliam. Alles ist so flirrend, krustig und überdreht, dass ein unangenehmer Sog entsteht. Die Welt entwickelt rasch eine schaurige Eigenlogik, ist als eigenständiges Universum so manisch überdreht wie ihr Protagonist, die Musik und die Kamera, sodass man sich manchmal unweigerlich die Frage stellt, in welchem Grade der Film sich überhaupt selbst ernstnimmt.
Dass es sich hier um ein Werk von Terry Gilliam handelt – an dieser Stelle Verzeihung für die Wiederholung, die der Autor an dieser Stelle einfach nicht zu umschiffen weiß – merkt man aber vor allem daran, dass der ganze Unsinn nicht bedeutungs- wie wirkungslos in sich zusammenfällt und in seiner kompositorischen Summe nicht nur sehr viel Sinn ergibt, sondern auch noch unerhört gut unterhält und ganz nebenbei eine Vielzahl interessanter Themenfelder streift und einen alles andere als leeren Kommentar dazu formuliert.

Fazit

Terry Gilliams neuer Film wirkt wie ein großes Selbstzitat, ist aber eigentlich ein weiterer, längst überfälliger Beitrag in einer Disziplin, die keiner so sehr beherrscht, wie der Monty-Python-Veteran. The Zero Theorem ist ein so ungebundenes wie unangepasstes Kinoerlebnis, das in seiner mysteriösen Eigenartigkeit funktioniert, obwohl die einzelnen Bestandteile für sich genommen dies nicht erwarten lassen würden. Der Sci-Fi-Film generiert einen wunderlich-kuriosen, manchmal bewusst fast peinlich berührenden Strudel, der einen für die Dauer des Filmes in eine Welt zerrt, die fremdartig, übervoll und wundersam ist, wie selten eine.