The Zero Theorem

Es hat lange gedauert, bis The Zero Theorem seinen Weg in die hiesigen Kinos geschafft hat. Trotz unerschöpflichen Monty-Python-Kredits und unsterblicher Filme wie Brazil, 12 Monkeys und König der Fischer wurde Terry Gilliam von der Filmindustrie immer als Problemkind behandelt. Die monumentale Länge monumentaler Filmideen, die es wegen fehlender Investoren nie zur Realisierung gebracht haben, spricht eine ebenso deutliche Sprache wie die fehlende Aufmerksamkeit, die zum Beispiel Tideland zukam.
Dass The Zero Theorem alles andere als breit gestartet wurde und keineswegs nur Lob erfährt, ist somit alles andere als erstaunlich.

No. You’ve got it backwards, Qohen. Everything adds up to nothing, that’s the point.

Story

Qohen Leth ist ein von Phobien getränkter Paranoiker, der mit weit mehr als nur der Tatsache, dass niemand seinen Namen anerkennt, Probleme hat. In einer abgedrehten Zukunftswelt, wo jeder nur Werkzeug ist, das seinen Zweck nicht kennt, dient auch er dem gesichtslosen Management, um als Computergenie tagein, tagaus dieselbe Tätigkeit im Büro auszuführen. Doch Qohen will viel lieber in seiner zur Wohnung umfunktionierten Kirche bleiben und von dort aus arbeiten. Nicht nur, weil er dort doppelt so effizient wäre, sondern vor allem, weil er seit vielen Jahren schon auf den einen Telefonanruf wartet, durch den er den Sinn seiner Existenz erfährt.

Kritik

Und da ist er nun, der neue Gilliam, sich selbst ankündigend als eine Art Best-Of seiner allergrößten Werke – allem voran Brazil, dem sich der Film auch unverhohlen annähert. The Zero Theorem spielt in demselben kurios-futuristischen Universum, das so aussieht, wie man sich in den 80ern die Zukunft vorstellte. Grelle Mäntel, unpraktische Regenschirme, modifizierte 80er-Jahre-Frisuren, analoge Telefone und Computertürme, die den Spielekonsolen der frühen 90ern verdächtig ähnlich sind. Die Welt wirkt wie die Alptraumversion eines Straßenteppichs in einem Kinderzimmer, der eine Plastikspielzeugwelt abzubilden versucht. Also die Art von Dystopie, die eigentlich gar kein Versuch ist, tatsächlich in die Zukunft zu schauen, sondern die einfach nur Bestehendes hochrechnet und mit grell gefärbten Ängsten aufrührt. Die Art, an der viele Regisseure grandios scheitern – doch nicht Gilliam.
In dieser Welt der konsequenten Übertreibung agiert jeder, vor allen anderen aber Christoph Waltz, mit konsequentem Overacting und auch der Rest übt sich in allem, nur nicht in Zurückhaltung. The Zero Theorem ist ein kunterbuntes, atemloses Drunter und Drüber, in dem eine kauzige Idee die nächste jagt. Diese Ideen funktionieren beileibe nicht alle, ergeben aber trotzdem ein erstaunlich rundes und fast schon hypnotisches Gesamtbild. Die Rasanz, mit der sich Geschehnisse aneinanderreihen, ist ein Grund dafür. Ein anderer ist, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die vermeintlich weniger gelungenen Elemente ganz bewusst in ihrer Mängelhaftigkeit präsentiert werden, weil sich der Film selbst über sie lustig macht. Auch dies ist eine Gratwanderung, die kaum ein anderer Regisseur mit so viel Fingerspitzengefühl beherrscht, wie Terry Gilliam. Alles ist so flirrend, krustig und überdreht, dass ein unangenehmer Sog entsteht. Die Welt entwickelt rasch eine schaurige Eigenlogik, ist als eigenständiges Universum so manisch überdreht wie ihr Protagonist, die Musik und die Kamera, sodass man sich manchmal unweigerlich die Frage stellt, in welchem Grade der Film sich überhaupt selbst ernstnimmt.
Dass es sich hier um ein Werk von Terry Gilliam handelt – an dieser Stelle Verzeihung für die Wiederholung, die der Autor an dieser Stelle einfach nicht zu umschiffen weiß – merkt man aber vor allem daran, dass der ganze Unsinn nicht bedeutungs- wie wirkungslos in sich zusammenfällt und in seiner kompositorischen Summe nicht nur sehr viel Sinn ergibt, sondern auch noch unerhört gut unterhält und ganz nebenbei eine Vielzahl interessanter Themenfelder streift und einen alles andere als leeren Kommentar dazu formuliert.

Fazit

Terry Gilliams neuer Film wirkt wie ein großes Selbstzitat, ist aber eigentlich ein weiterer, längst überfälliger Beitrag in einer Disziplin, die keiner so sehr beherrscht, wie der Monty-Python-Veteran. The Zero Theorem ist ein so ungebundenes wie unangepasstes Kinoerlebnis, das in seiner mysteriösen Eigenartigkeit funktioniert, obwohl die einzelnen Bestandteile für sich genommen dies nicht erwarten lassen würden. Der Sci-Fi-Film generiert einen wunderlich-kuriosen, manchmal bewusst fast peinlich berührenden Strudel, der einen für die Dauer des Filmes in eine Welt zerrt, die fremdartig, übervoll und wundersam ist, wie selten eine.